On the ... sunny side of the street |
Samstag, 18. September 2010
Ich sah den Gipsstaub durch die Luft schweben. Ich sah, wie die Sonne sich in dem kleinen Raum auffächerte. Ich stellte mir die Sonne sehr blass vor und dabei gleichzeitig ein bisschen zu hell. Ein bisschen schwarz-weiß. Ausgebleicht durch die grauen Mietshäuser, durch die sie tagaus und tagein scheinen musste, und durch den Kohlestaub, den es damals noch gab, im Ruhrgebiet. Eine Kindheit in den 60ern. Zahntechniker sei er gewesen. Und die Mutter so dominant. Vom Kuckuckskind habe er nichts gewusst, der Zahntechniker, der verachtet worden ist von den Schwiegereltern. Auch von seiner Frau eigentlich. Als sie alt war und all die Kinder weg, die vielen Söhne, die so viel gegessen haben, dass sie versucht war, Gipsstaub unterzumischen, da habe sie endlich studiert. Latein habe sie studiert. Was sonst? Alles war vorherbestimmt. Und die Sache mit dem Contergan, die sei damals auch passiert. 1960 irgendwann. Er verstummte. Ich berührte sein Gesicht. Er war da. Aber ich nicht. Ich war dort. „Erzähl weiter“, flüsterte ich. Doch er tat es nicht. Man durfte ihn nicht bitten, man durfte nur warten. Er sah mich an, an, an, an, an, an. Er lächelte sein stilles Lächeln, sein denkendes Lächeln. „Blas mir den Schwanz“, sagte er klar umrandet. Ich kniete mich zwischen seine Beine und nahm ihn so tief in mich auf, wie es ging. „Tiefer“, sagte er. Es ging tiefer. Ich ließ die geflohenen Gedanken nicht mehr in mich hinein.
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