On the ... sunny side of the street
Sonntag, 26. September 2010

Die Hitze flirrte in der Stadt. Sie strahlte von den Wänden der grauen und braungelben Häuser wider, die lebendig waren. Die ganze Stadt war lebendig. Ihre Geschichte atmete in jeder Gasse, und ihr Zentrum war jener trübgelbe, großartige Fluss. Ich las die Straßenschilder in dieser geheimnisvoll und lieblich klingenden Sprache, als seien es Zaubersprüche. Budapest umhüllte mich auch diesmal wie eine Mutter ihr Kind. Ich bog in die Városház utca ein. Ich war nervös. Diesmal wollte ich ihn. Ich war fest entschlossen. Ein Jahr zuvor hatte ich hier meine Chance gehabt. Nur ein paar Straßen weiter, in dem offenen Rumpf einer der vielen Ruinen, den sie voll gestellt hatten mit langen Tischen und Bänken. Man saß so eng, wie man sich bei einem Sonic-Youth-Konzert drängte, und das Lachen, Erzählen, die fremde Sprache wurden zu einem gewaltigen Rauschen, das die Zeit irrelevant werden ließ, während der Mond über einem schien. Einer der Studenten nach dem anderen verschwand. Rechts und links neben uns wurde frei. Wir bewegten uns keinen Millimeter. Wir saßen genau so eng nebeneinander, dass sich die Härchen an unseren Armen berührten und die Beine unterm Tisch leicht. Er erzählte mit seinem sanften Bariton in ungarischer Melodie etwas auf Deutsch. Der nichtprofessorale Professor. Doch dann glitt die Nacht vorbei und ich war auf dem Weg in das Wohnheim weit draußen, wo mich die zwitschernde Italienerin im Zimmer erwartete.
Er war noch nicht da. Ich besetzte die lange Tafel mittig. Alle kamen. Er nahm an richtiger Stelle Platz, links von mir. Aber ich wusste es, ich roch es. Geilheit ohne Initiative. Der Abend wurde ein einziges langes Seufzen. Ein Seufzen, das den Professor rechts neben mir wachrief. Jagd kroch aus all seinen Poren. Der rumänische Jude mit dem langen Leben, das Genie, von allen Anwesenden verehrt für alles. Und er wusste, ich gab einen Scheiß auf seine Kenntnisse. Jagd eröffnet. An diesem Abend lernte ich das Neinsagen nicht, aber er lehrte es mich. Wunden, die erst später vernarbten. Seine Haken bearbeiteten all meine Wunden. Ich war sein Mittelpunkt. Er habe mich beobachtet bei der Ankunft. Er wusste sofort, dass er mich wolle. Mein Kerl zu Haus sei kein Mann, wenn er mich nicht fickte. So was verdiente ich doch nicht. Wir gingen etwas trinken. Er redete und redete. Er lauerte. Er ließ nicht locker. Kein Nein von mir. Auf Zehenspitzen in sein Zimmer. Hier, Schokolade. Ich wollte sie nicht, ich aß sie trotzdem. Mein Geist stieg währenddessen nach oben und entfernte sich von mir. Die, die ich wollte, betrachteten mich nur verliebt, ohne mich anzutasten. Dann eben der, den ich nicht wollte. Seine dunklen, älteren Hände auf meiner blassen Haut. Auf meiner blassen Brust. Das dunkle Rosa der Nippel zwischen seinen Fingern. Der Geruch seines Parfums. Sein Bauch gegen meine Knochen. Die Geilheit kommt so. Sein Schwanz sucht und findet. Das ist es also, denke ich. Mein Geist ist klar, rein und still, während Bewegung, Puls, Rhythmus, Schweiß, Gerüche und Nässe um mich herum strömen. „Ich liebe dich“, sagt er hinterher. „You don’t love me“, antworte ich. Aber ich habe ihn entflammt. Es ist Zeit, Nein sagen zu lernen, später, tausende Kilometer von ihm entfernt, immer wieder ein Nein, das er ablehnt.

pyr

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